Es war als „urbane Ideenschmiede“ und „multidisziplinäre Begegnungsstätte“ gedacht und sollte Künstler, Wissenschaftler und vielleicht auch den Jedermann von der Straße diskutierend zusammenbringen. Doch nach deutlichen Reaktionen aus der linken Szene scheint klar: Es wird kein Guggenheim Lab geben in Kreuzberg.
Vielen wird Sinn und Zweck jenes von BMW initiierten „Guggenheim Lab“, das sich auf dem seit Jahren brach liegenden Gelände zwischen Cuvry- und Schlesischer Straße ansiedeln wollte, erst gar nicht aufgehen. Braucht Berlin tatsächlich eine weitere Kunstbaracke, in der über die Zukunft unserer Städte diskutiert wird? Wäre ein solcher Ort am Ende tatsächlich mehr als nur eine weitere „Quatschbude“, einer sich permanent um die Welt diskutierenden, eng miteinander verzahnten Kunst- und Wissenschaftselite? Und welche Rolle spielt BMW überhaupt dabei, Sponsor des Ganzen?
Natürlich erhofft sich der bayerische Motorenbauer einen langfristigen Imagegewinn von dem Projekt, das mit ganzem Namen „BMW Guggenheim Lab“ heißt. Der Hintergedanke aus der Marketingabteilung des Münchner Automobilherstellers: Den ungebrochenen Hype um Berlin zur Stärkung der eigenen Marke nutzen. Und wo könnte das – aus Konzernsicht – besser funktionieren, als in Kreuzberg? Denn – und hier dringen wir gleich zum Kern des Problems oder der Chance (je nach Perspektive) vor – genau hier ist der Hype am größten. Kreuzberg ist längst schick aber auch immer noch schmutzig genug, um genügend Kreative und Besserverdienende anzulocken. Das Problem: Genau hier aber ist auch der Widerstand gegen die weitere urbane Exploration wie Exploitation ganz besonders stark.
Nimmt man nun diese beiden Erkenntnisse zusammen, entsteht eine durchaus reizvolle und für die Diskussion ja eigentlich ideale Mischung. Gerade in Kreuzberg nämlich ließe sich trefflich darüber nachdenken und streiten, wem der Stadtraum denn nun eigentlich gehört. Denen, die schon immer hier waren und jetzt Angst haben, dass die Stadt, wie sie sie kennen, Stück um Stück verschwindet? Oder vielleicht doch denjenigen, die Arbeitsplätze, neue Häuser und goldene Zeiten versprechen?
Das Guggenheim Lab sollte ursprünglich ausgerechnet mitten in jenem Gebiet eröffnen, das seit Jahren zu den am härtesten umkämpften in ganz Berlin gehört: dem „Media-Spree“ getauften Band zwischen Ostbahnhof und Ostkreuz. Es war abzusehen, dass die Gentrifizierungsaktivisten nicht lange mit einer Reaktion auf das BMW-Guggenheim-Jointventure auf sich warten lassen würden. Schon Anfang März hieß es daher im linken Branchen-Onlinemagazin „Indymedia“, dass „das geplante Lab eine weitere Aufwertung und Beschleunigung der ohnehin schon rasanten Mietsteigerungs- und Verdrängungsspirale“ bedeuten würde. Und dass es nicht nur bei rhetorischen Kraftübungen bleiben wird, sollte das Guggenheim Lab tatsächlich nach Kreuzberg kommen, scheint naheliegend. Man muss nur ein paar Straßen weiter schauen. Am Carloft-Projekt in der Reichenberger Straße zeigt sich bis heute, dass es zu Anschlägen gegen Einrichtungen kommt, die im Verdacht stehen, den Miet- und Preisdruck im Kiez weiter zu erhöhen. Dort schlägt die Wut der Gentrifizierungsgegner noch immer in Sachbeschädigung um. Dieses Risiko wollten die Verantwortlichen für das Guggenheim Lab offenbar auf keinen Fall eingehen.
Mit dem Rückzug des Projektes aus Kreuzberg, wurde nun die Politik auf den Plan gerufen. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) ließ sich im Tagesspiegel zu den markigen Worten hinreißen, dass die Chaoten ein Standortrisiko für Berlin darstellten. Die Diskussion also, die ja eigentlich erst mit dem Projekt beginnen sollte, ist bereits jetzt in vollem Gange. Von daher ist das Guggenheim Lab auch ohne temporären Barackenbau in Kreuzberg absurderweise ein voller Erfolg. Ganz anders, als es sich Initiatoren und Politik gedacht haben, diskutieren im Moment nicht Künstler und Wissenschaftler über theoretische Städte der Zukunft, sondern praktisch Betroffene, oder die, die sich dafür halten.
Das Guggenheim Lab jedenfalls wird sehr wahrscheinlich an anderem Ort in Berlin doch noch öffnen. Der Prenzlauer Berg ist im Gespräch. Ob sich dieser vollständig befriedete und durchentwickelte Bezirk aber tatsächlich so gut dafür eignet, wie Kreuzberg, sei dahingestellt. Wahrscheinlicher ist, dass das Guggenheim Lab am Ende eben doch nur eine Quatschbude sein wird und die dort besprochene Zukunft unserer Städte nur eins: graue Theorie.
Nicola Unterbauer
28/02/2014 at 15:26Ist es aufschlussreich, dass in diesem Artikel zweimal das Wort Quatschbude vorkommt? Ein besonderer Freund dieses Wortes war Adolf Hitler, für den der demokratische deutsche Reichstag stets eine „Quatschbude“ war. Die beste Interpretation für die dreiste Nutzung dieses Wortes ist, Andersdenkende zu marginalisieren. Die Wahrscheinliche ist, ihnen keine Wortmeldung zuzubilligen. Nicola