Die Armutslandkarte

Was die Meisten wohl längst ahnten, ist nun wieder amtlich – der neue Sozialstrukturatlas Berlin zeichnet insbesondere für Kreuzberg ein nach wie vor trauriges Bild. Zwar konnte der Bezirk gegenüber Neukölln und Mitte ein wenig aufholen und belegt im Ranking jetzt „nur noch“ den drittletzten Platz, auf der anderen Seite lebt hier inzwischen jedes zweite Kind von Hartz IV, in manchen Teilen des Bezirks sind es sogar bis zu 75 Prozent der Kinder.
 
Die kurze Phase des Aufschwungs vor dem anschließenden Kollaps der internationalen Finanzwirtschaft hat Kreuzberg nur wenig geholfen. Leicht gesunkenen Arbeitslosenzahen steht eine steigende Altersarmut gegenüber. Die unmittelbaren Ursachen sind hinlänglich bekannt: Erwerbslosigkeit, bzw. niedrige Einkommen und Hartz IV-Sätze halten das Sozialniveau auf einem dauerhaften Tiefstand. Vorgestellt haben die neue „Armutslandkarte“ für Berlin die beiden Senatorinnen Katrin Lompscher (Gesundheit) und Heidi Knake-Werner (Soziales), die damit auch eine Bilanz ihrer eigenen Arbeit vorlegten. Nicht weniger ernüchternd, wie die hohe Zahl von Hartz IV-Empfängern, ist die Tatsache, dass sich durch Berlin ein sozialer Graben zieht. Auf der einen Seite aufstrebende und wohlhabende Stadtteile wie Zehlendorf und Charlottenburg, auf der anderen absteigende und scheinbar vergessene, wie Mitte, Neukölln und Kreuzberg. Eine schlichte Zahl verdeutlicht den Unterschied besonders drastisch: so stirbt ein normaler, männlicher Bewohner Kreuzbergs im Schnitt vier Jahre früher als ein Charlottenburger. Die Senats-Formel dafür ist einfach: Niedrigsteinkommen bedeuten Übergewicht, schlechte Zähne und mangelhafte Ernährung. Und die Lösungsansätze? – die beiden Senatorinnen gaben an, was zu tun sei: Karies-Vorbeugungsprogramme und Mietdämpfungskonzepte. Die Ratlosigkeit war groß, am Tag, als der neue Sozialstrukturatlas Berlin vorgestellt wurde.
 
Den Sozialstrukturatlas als PDF gibt es hier zum Download.
 
 
(Grafik oben: Berliner Senat)

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Kommentare

  • Almut
    05/04/2009 at 23:08

    Armutszeugnis als kartographisches decorum. Und hier wollen nun die „Reichen“ hinziehen – siehe Kolumne „alle gegen alle“ auf dieser Site -? Andererseist kann man nicht umhin zu fragen, ob ein Grund, warum so viele hier so gerne wohnen, nicht eben auch in der Armut dieses Viertels liegt. Kein Sozialkitsch an dieser Stelle – aber die Atmosphäre mag man vielleicht auch als Folge einer gewissen Selbstwahnehmung im Kontrast zu den „bessergestellten“ Viertel der Stadt sehen.

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