Ströbele, der Kreuzberger Riese

Hans-Christian Ströbele, der Grüne, der das einzige Direktmandat für seine Partei in ganz Deutschland im Wahlkreis Friedrichshain – Kreuzberg – Prenzlauer Berg – Ost hält, will auch bei der nächsten Bundestagswahl 2009 noch einmal antreten. Seit gestern ist klar: Diesmal schicken SPD und CDU erstmals ernstzunehmende Konkurrenz gegen ihn ins Feld. Die DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld (CDU) und der Ex-Juso-Chef Björn Böhning (SPD) könnten Ströbeles Herausforderer sein, sofern ihre Parteien sie nominieren. Muss Ströbele, der Kreuzberger Riese, nun um sein Direktmandat fürchten? Wohl kaum.

Wer ist dieser Hans-Christian Ströbele eigentlich und was hat ihn zum Kreuzberger Polit-Schwergewicht werden lassen? Ein kurzer Blick zurück. Schlagartig bekannt wurde der Grünen-Politiker durch seine Verteidigung von RAF-Terroristen, unter anderem Andreas Baader. Ein eilig erlassenes Gesetz hinderte Ströbele jedoch an der Ausübung seines Mandats. Schon vor Beginn der Stammheimprozesse 1975 wurden er und seine Kollegen vom Mammutverfahren ausgeschlossen. Der Vorwurf lautete: Unterstützung von RAF-Straftaten. 1978 gehörte Ströbele zu den Mitbegründern der Alternativen Liste, aus der später der Berliner Landesverband der Grünen entstand, ein Jahr später dann zu den Mitbegründern der linken Tageszeitung TAZ. Bundestagsmitglied ist der umtriebige Vollblutpolitiker schon seit 1985. In den letzten Jahren machte Ströbele mehrfach von sich reden. Allerdings brachten ihm die Schlagzeilen, die seinen Namen trugen, eher Spott, denn den erhofften Erfolg ein. Bei der Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes zweifelte er an der Rechtmäßigkeit von Ratzingers Doppelstatus als Bürger des Vatikanstaates und Deutschlands; er forderte die Freigabe von Cannabis, die Einführung eines bundesweiten muslimischen Feiertages und Turbane und Schleier für muslimische Polizisten, schließlich eine muslimische Ausgabe der Sendung „Wort zum Sonntag“. Für Schlagzeilen sorgte aber auch sein Fahrrad, das ihm Unbekannte unter den abwesenden Augen der Staatsmacht in der Nähe des Reichstagsgebäudes klauten. Nun stellt sich die Frage, wie passt das alles zusammen? Gehört das überhaupt zusammen? Erklärt sich Ströbeles fulminanter Kreuzberger Wahlsieg von 2005 etwa genau deswegen, weil er am laufenden Band bunte und keine recht ernstzunehmenden Schlagzeilen und Forderungen produziert? Heben ihn also nur das „Verquere“, sein hoher Bekanntheitsgrad und seine stramm linke Vergangenheit immer wieder wie automatisch ins Mandat? Und sind die Kreuzberger lediglich linke Spaßwähler?

Nein, ganz so einfach ist es nicht. Denn, wäre es so, würden linke Spaßparteien, wie die APPD (Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands) oder das Titanic-Derivat „Die Partei“, die mit Forderungen wie der „Rückverdummung Deutschlands“ oder der Gründung einer Sonderwirtschaftszone Ost (SBZ), an ernsten Wahlen teilnehmen, Wahlsieg über Wahlsieg in Kreuzberg feiern. Doch das tun sie nicht. Politik, zumal in Kreuzberg, ist harte Arbeit, Straßenarbeit vor allem. Wer Ströbele einmal über den Weg gelaufen ist während seines Wahlkampfs 2005, als er in unermüdlicher Kleinarbeit Handzettel in Kreuzberg verteilte und kaum mehr als ein gepresstes Lächeln zustande brachte, der weiß das. Er hat es durchgehalten, auch wenn er am Schluß nicht mehr sonderlich motiviert und sein Gang durch Kreuzberg ein wenig abgeknickt wirkte. Er weiß um sein Pfund in diesem Bezirk. Und auch sein aufrichtiges und ernstes Anliegen um Kreuzberg nimmt man ihm irgendwie ab.

Dass er in der Bürgerhochburg Charlottenburg lebt und trotzdem für Kreuzberg kandidiert, stieß öfter auf Kritik. Doch der 69-Jährige könnte auch vom anderen Ende der Welt aus kandidieren – die Wahrheit ist, keiner passt besser zu diesem Stadtteil, als Ströbele. Auch seine politischen Gegner wissen das und versuchen nun alles, um den Altstar aus dem Rennen zu drängen. Dazu braucht es viel, viel Kleinarbeit, wie gesagt. Namen allein werden den Giganten nicht stürzen. Den einen Vorwurf freilich, den Ströbele seiner möglichen Konkurrentin Lengsfeld gemacht hat, sie sei Vergangenheit, den natürlich, kann man auch ihm machen. Denn von seiner turbulenten Vergangenheit zehrt Ströbele bis heute. Er wird trotz allem 2009 durch Kreuzberg laufen und seine Wahlversprechen unter die Passanten und Café-Gäste ausbringen. Mit einem müden und siegessicheren Lächeln auf den Lippen. Es wird sich zeigen, ob sich seine Zähigkeit auch diesmal auszahlen wird.

Konstantin Vogas

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Kommentare

  • Anonymous
    05/11/2008 at 10:05

    YES WE CAN!

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