G wie Gentrifizierung

Seit geraumer Zeit schon geht ein böses Wort um in Kreuzberg. Das Wort Gentrifizierung. Es bedeutet, wenn es denn erstmal umgeht, nichts Gutes für den betroffenen Stadtteil.
 
Was passiert? Besserverdiener ziehen in einen strukturschwachen aber kulturell attraktiven Bezirk und verdrängen nach und nach die ursprünglichen Einwohner. Parallel dazu steigen die Mieten und Preise, werden die Cafés und Restaurants teurer und nicht selten seelenloser, im schlimmsten Fall verliert der Stadtteil sein altes Gesicht ganz und erstarrt in einer bunt funkelnden Hülle. Die bleibt dann auch übrig, wenn die Karawane schließlich, wieder Jahre später, weiterzieht, weil sich die neue Bohème nach Trash und Underground zurücksehnt. Berlin erlebt diese Wanderungsbewegung seit Jahren. Ein berühmter Bezirk im Ostteil hat diesen Prozess schon durchgemacht und schläft jetzt. Und Kreuzberg? Tja. Die Plakate rufen es von den Wänden – „Stoppt die Mieterhöhung!“. Ein Car-Loft-Haus ist quasi bezugsfertig, die Reichen kommen. Wer wirft dann in Zukunft eigentlich die Steine am 1. Mai? Marketingmanager in 150-Euro-Adidas-Sneakern? So ganz kann man sich das noch nicht vorstellen.

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Kommentare

  • Rübezahl
    21/01/2009 at 19:08

    Deine Antwort „Verdrängt“ ist völlig richtig, ich hatte mich da auf den inhaltlichen Diskurs versteift, Sorry. Und was „Hauswart“ anbetrifft: Deine Fragen von heute vormittag sind ganz schön von oben herab gestellt, ziemlich verhörmäßig, als ob Du irgendein Anrecht darauf hättest mir Fragen zu stellen. Auf diesen Ton habe ich keinen Bock am Feierabend. Außerdem hätten eine oder zwei Fragen genügt. Also: dass Unwissenheit eine Tatsache ist, weiß ich von mir selbst natürlich, woher sonst. Wenn Du erst U-Bahn fahren oder „irgendwo“ was lesen mußt um Dich selber kennenzulernen, dann drück ich Dir die Daumen, das die BVG-Tarife nicht weiter erhöht werden.

  • Verdrängt
    21/01/2009 at 16:01

    Die Antwort, „Rübezahl“, hast Du eigentlich schon selbst gegeben. Der auffälligste Unterschied zwischen Lexikoneintrag (oder Lexikonartikel) und Zeitungs-, oder Web-Seitenartikel ist der, dass der Lexikoneintrag keinen „sprechenden“ Titel à la „Jetzt kommen die Reichen“ trägt, sondern schlicht den des Gegenstandes, den er beschreibt.

  • Hauswart
    21/01/2009 at 10:10

    Über den konstruktiven Charakter von Tatsachen ließe sich freilich vortrefflich streiten. Wie kommst Du denn zu diesen „Tatsachen“? Hast Du das „irgendwo“ gelesen? Ist das Deine „Eindruck“, den Du so gewinnst, wenn Du z.B. mit der U-Bahn fährst? Dass „die“, von denen Du sprichst, „unwissend“ sind. Und bei solchen Zuschreibungen wird der Unterschied zwischen Tatsache und Status ziemlich aufgeweicht. Was Deine Beschreibung des „alten Spiels“ angeht – bitte erklär doch auch mal a) wen Du damit meinst. Die hier an der Diskussion Beteiligten? Gebildete im allgemeinen? Experten? Und – noch viel spannender – b) wie das Deiner Meinung so geht, sich „Definitionsmacht über Wissen und Unwissen“ anzueignen. So ein bisschen mehr als ein paar fetzige Schlagwörtchen dürfen es dann schon sein. — Und etwas allgemeiner gefragt: Worum geht es Dir eigentlich? Um einer Verhärtung der Fronten von Experten- und Laiendiskurs? Um Sprachregelung zwischen Bildungsbürgertum und „bildungsfernen“ Gesellschaftschichten? Oder hast Du einfach persönlich ein Problem mit Fremdworten? Da empfehle ich Duden, Bd. 5, das Fremdwörterbuch, möglichst neueste Ausgabe. Das hilft einem durch den Tag, ohne dass man sich von den „Definitionsmächtigen“ ganz böse beherrscht und ausgebootet fühlen muss.

  • Rübezahl
    21/01/2009 at 1:52

    Unwissenheit ist kein Status, sondern eine Tatsache, und Tatsachen kann man nicht schützen, denn sie sind der Fall. Die Vorstellung einen Status schützen zu können, kommt immer nur von denen, die selber einen haben, und das sind eben nie die „Unwissenden“, sondern immer die, die sich die Definitionsmacht über Wissen und Unwissen erst angeeignet haben und dann kommen und generös die Kluft wieder verringern möchten. Dieses Spiel ist so alt. Und was, „Verdrängt“, ist bitte der Unterschied zwischen einem Artikel und einem Lexikoneintrag? Das ist doch lächerlich!

  • Hauswart
    20/01/2009 at 22:47

    Mein letzter Beitrag war als Antwort auf „Rübezahl“ gedacht. „Verdrängt“ hat sich gleichsam dazwischen „gedrängt“ (dessen Intention ich im übrigen teile).

  • Hauswart
    20/01/2009 at 22:36

    Ich verstehe das Problem schon. Allerdings frage ich mich, von welcher Position aus Du sprichst – offenbar kannst Du mit den Begriffen umgehen, verstehst sie und verwendest sie in der richtigen Weise. Du möchtest aber andere, die, so fürchte ich, eine gänzlich unbekannte, namen- und gesichtslose Menge darstellen, „schützen“ vor dem Kauderwelsch der „mächtigen“ Experten. Man könnte freilich, als Vorschlag, den umgekehrten Weg gehen, und jene Menschen, die Du da offenbar im Blick hast, für prinzipiell aufgeschlossen und lernfähig halten und ihnen die Begriffe und die damit verbundenen Expertenmeinungen näher bringen. Vielleicht auch in einem Kiezmagazin. Das hätte zumindest den Hauch einer Chance, dass die Kluft zwischen dem – unvermeidlichen – Expertendiskurs und dem der Laien etwas zu verringern. Du meinst es sicher nicht so, aber Deine letzten Zeilen klingen so, als sei Unwissenheit ein unbedingt schützenswerter Status. Man sollte tatsächlich auf die Möglichkeiten jeder/s einzelnen eingehen, doch Bildung ist auch Arbeit an sich selbst und erwächst eben auch aus Herausforderung. Du magst Begriffe/Schlagworte wie „Gentrifizierung“ wichtigtuerisch empfinden – Titel wie „jetzt kommen die Reichen“ hat für mich wiederum den Klang einer Bild-Zeitungs-Schlagzeile. „Gentrifizierung“ bringt einen Prozess auf ein Wort. Das ersetzt, und das gilt für jedes Wort, nicht das Verstehen; jedoch gibt es eben außer eher groben Paraphrasen keine „einfachere“ Alternative… Mir wäre es allerdings auch lieber, es bräuchte das Wort nicht, weil es die Sache nicht gäbe.

  • Verdrängt
    20/01/2009 at 22:08

    Hä? Dem ersten Teil deiner Ausführungen stimme ich ja noch zu, „Rübezahl“. Aber erstens habe ich den Text oben nicht als Artikel, sondern als eine Art Lexikoneintrag verstanden („Kreuzberg von A-Z“), der eben mit dem Buchstaben „G“ (wie Gentrifizierung) beginnt und nicht irgendeinem beliebigen Titel. Was daran „wichtigtuerisch“ sein soll, verstehe ich ebenso wenig. Man hätte den Eintrag natürlich auch „G wie geil“ nennen können und wäre dann der von dir erwähnten „wenig gebildeten“ Web-Klientel sicher ein gutes Stück entgegen gekommen. Und zweitens: dass eben diese Klientel aufgrund des ach so schwer auszusprechenden Titels von dieser Seite oder anderen Seiten „verdrängt“ wird – entschuldige, aber das ist ja schon lachhaft. Offenbar ist es schon zuviel verlangt, dass man das schlimme „G-Wort“ kurz irgendwo nachschlägt (im bösen Intellektuellen-Netz, bei wikipedia etwa). Wer das nicht mag oder schafft, der ist in der Tat bei Bild und Co. besser aufgehoben. Das Netz übrigens ist übervoll von Inhalten für die bedrängten „wenig gebildeten Web-User“. Keine Sorge also, „Rübezahl“. Wer verstehen will, versteht.

  • Rübezahl
    20/01/2009 at 20:23

    Leider dienen Fachbegriffe i.d.R. auch der Etablierung und Erhaltung von Expertenmacht, und das haben die Soziologen selbst bisher immer am besten reflektiert. Ein Wort wie Gentrifizierung hat auf einem Kongress über Migrationsbewegungen eine andere Bedeutung als auf der Titelseite eines Kiezmagazins. Genauso wie ein medizinischer Fachbegriff auf einem Ärzteforum die Kommunikation erleichern kann, während er im Sprechzimmer die Kommunikation erschweren oder gar einseitig instrumentalisieren kann. Ein Titel wie: „jetzt kommen die Reichen“ oder „Schade um mein altes Gesicht“, verstünde jeder auf Anhieb, „Gentrifizierung“ hingegen klingt wichtigtuerisch, pseudoaufklärerisch und schafft daher letzlich nur unnötige Barrieren für die nötige Information der von dem Phänomen am meisten Betroffenen. Dieser Artikel namens Gentrifizierung ist daher selbst das beste Beispiel für Gentrifizierung, d.h. für den Versuch der Verdrängung bzw. Bedrängung der wenig gebildeten Web-User durch neue gut gebildete Webuser. So seh ich das.

  • Webside Story
    20/01/2009 at 11:18

    gesetze werden in ihrer (ethischen, ökonomischen, rechtsphilosophischen etc.) herleitung ja auch nicht von allen verstanden, die davon betroffen sind (weil man sich i.d.r. dafür nicht interessiert). dennoch sind sie wirksam, nicht? und die begriffe, die zur kommunikation über gesetze verwendet werden, dienen eben jenen, die letztlich für die beschreibung, analyse und ggf. modifikation derselben verantwortlich sind. das gilt doch vielleicht auch für fragen der soziologie. wer mitreden will – darauf zielt vielleicht der einwand meines vorredners – der darf sich informieren über die fachdiskurse und deren begriffe. umgekehrt können fachleute die fachdiskurse freilich auch „mundgerecht“ für die laien anbieten. das ändert aber wohl nichts an dem sinn von begriffen.

  • Solo
    20/01/2009 at 0:07

    Oho! Klasse gekontert! Soweit ich weiß, nennt man solche Menschen hier entweder Prolls (wenn sie selber keine Akademiker sind) oder Nestbeschmutzer (wenn sie diesen „universitären Studiengang“ selber hinter sich brachten). Im übrigen hast Du völlig recht damit, dass es für die Existenz von Phänomenen natürlich keine Rolle spielt, ob sie von irgendwem verstanden werden, für die Kommunikation über solche Existenzen aber eben sehr wohl. Und auf dieser Webside existieren wir nicht, sondern wir kommunizieren. Du und ich jetzt jedenfalls. Und da frage ich Dich: wenn die Betroffenen eines Phänomens indifferent sind gegenüber seinem Begriff, wem dient dann die Kommunikation des Begriffs?

  • Hauswart
    19/01/2009 at 23:08

    Und wie nennt man Menschen, die auf billige Argumente angewiesen sind, um Menschen bestimmter universitärer Studiengänge zu diffamieren? Also Leute, die ihre Distinktionsbedürfnisse professionalisieren möchten, indem sie bei anderen soziale Inkompetenz diagnostizieren. — Im übrigen spielt es für die Existenz eines gesellschaftlichen Phänomens keine Rolle, ob die davon Betroffenen den Begriff verstehen oder nicht.

  • Solo
    19/01/2009 at 1:08

    Menschen, die sowohl auf billige Mieten angewiesen sind als auch den Begriff Gentrifizierung verstehen, können doch eigentlich nur Soziologiestudenten sein. Oder? Also Leute die ihre eigenen Entfremdungsgefühle professionalisieren möchten, indem sie bei anderen soziale Ängste diagnostizieren.

  • Klinge
    18/01/2009 at 22:29

    und außerdem: gentrifikation ist doch eine tolle gelegenheit für das präkariat immer wieder neue stadtteile kennenzulernen – entmietung als chance!!! die kommen ja sonst kaum raus

  • gewahrtes Gesicht
    18/01/2009 at 22:27

    Wir können freilich alle mal irgendwo nachschauen, was wir verdrängen, oder auch einen Psychoanalytiker bezahlen, dass er das für uns macht – bei dem Thema Gentrifizierung wird das aber nur bedingt von Nutzen sein. Denn dabei geht es ja sehr viel weniger um die Bewahrung eines „alten Gesichts“, eines Images also, sondern um die ökonomische Verwertung desselben. Um es web-gerecht auf einen Punkt zu bringen: die schlichte Entscheidung, um die sich die KommentatorInnen offenbar balgen, ist die, ob sie die Stadt grundsätzlich als Lebensraum oder Investitionsraum begreifen. Von der Ansicht hängt ab, was man unter „Veränderung“ versteht und wie man sich dazu verhält.

  • Hieronymus
    15/01/2009 at 1:40

    An meinem Kommentar dürfte man eigentlich bemerkt haben, daß die von Dir erwähnte Toterklärung der Ironie nie bei mir ankam. Wer hat sie denn für tot erklärt? Blixa Bargeld vielleicht, oder Rüdiger Landowski?Und wer sind eigentlich die ursprünglichen Bewohner Kreuzbergs? Sie müssen wohl vor hunderten von Jahren gelebt haben, vielleicht Bauern, Fischer,…? Bereits Nietzsche beklagte die deutsche Großstadt, in der nichts wachse, sondern alles, Gutes wie Schlechtes eingeschleppt sei. Also bitte, hör doch auf zu glauben, daß mit Dir die Welt angefangen hat. Nichts an Dir und mir ist noch irgendwie ursprünglich, allenfalls sind wir die letzten und an unseren „alten Gesichtern“ hängen nur wir selber, sonst niemand. Schauen wir doch erstmal bei uns nach, was und wen wir alles verdrängen, ehe wir anderen Verdrängung vorwerfen. Einverstanden?

  • Bosch
    14/01/2009 at 8:48

    Trotz Deines aggressiven Untertons eine Anmerkung: nur ein Tölpel glaubt, dass sich das Alte auf ewig bewahren lässt und „früher alles besser war“. Dass nichts bleibt, wie es ist, gilt für Städte genauso, wie für das Leben selbst. Schon klar. Nur: wie diese Veränderung aussieht, ist schon nochmal was ganz anderes, nicht? Und wenn das, was diesen Stadtteil einzigartig macht (da fällt jedem, der hier wohnt, sicher was anderes ein), verschwindet und ersetzt wird durch einen gleichförmigen Lebensstil und dazugehörige Geschäfte, die von Weltkonzernen nach immer gleichem Muster in jede Innenstadt der Welt exportiert werden, dann darf man doch ein wenig am „alten Gesicht“ hängen. Ach so, eins auch noch: zwar wurde die Ironie in den letzten Jahren für tot erklärt. Doch sollte man, wie im vorliegenden Text, schon noch in der Lage sein, diese mitlesen zu können…

  • Hieronymus
    13/01/2009 at 23:29

    Und Du, möchtest Du denn Dein altes Gesicht ewig behalten? Und die Steine wirft hier auch niemand für Dich, die mußt Du schon selber werfen,…kannste Dich denn überhaupt noch bücken, altes Gesicht?

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