Heute also hat die 59. Berlinale begonnen. Der internationale Filmzirkus macht Station in Berlin. Ob auch für Kreuzberg ein wenig vom cineastischen Glanz abfällt, warum der Berlinale auf den offiziellen Plakaten ein „i“ fehlt, oder aber ob nicht viel zu viele „i es“ zu sehen sind und ob auch dieses Jahr wieder die Stadt voller stolzer Taschenträger sein wird – diese Fragen sollen hier geklärt werden.
Zugegeben, es dauert eine Weile, bis man das diesjährige Berlinale-Plakat verstanden hat. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte sich das Festival das „i“ in Berlinale gespart. Berlnale also. Noch mutiger wäre es gewesen, hätte man gleich noch mehr Vokale gestrichen – Brlnale zum Beispiel. Oder einfach alle: Brlnl. Aber nein. Das ginge nicht. So hätte die Berlinale eher an ein dadaistisches Laut-Gedicht erinnert, an Unsinn, Krampf – „Hrzlch wllkmmn f dr dsjhrgn Brlnl!“. Stattdessen hat man eine schöne grafische Lösung gefunden, die sich erst auf den zweiten Blick offenbart. Das „i“ ist zwar aus dem Namen gefallen, wurde aber mehrfach dupliziert in die Mitte des Plakats gesetzt und ergibt so stilisierte Zuschauer, die den Betrachter anschauen. Oder den Film auf der Leinwand. Wie auch immer. Auf den zweiten Blick also, ist das Plakat durchaus gelungen. Gratulation, Paul Snowden – einem Kreuzberger Exil-Neuseeländer übrigens.
Nun zur Frage, ob Kreuzberg irgendwas mit der Berlinale zu tun hat. Na ja. Am Rande, müsste man ehrlicherweise sagen. Eine der Spielstätten nämlich wird auch dieses Jahr das Hebbel-Theater sein – im HAU 1 bis HAU 3 laufen ein paar der Festival-Filme. Nicht die ganz großen, sondern die, die am Berlinale-Talent-Wettbewerb teilnehmen (Berlinale Talent Campus Event). Sie sind sozusagen „privilegierte Außenseiter“ und werden „nur“ auf einem Workshop präsentiert, begleitet von Vorträgen und Diskussionen filmschaffender alter Hasen, junger Nachwuchsleute und dem Publikum. Einem Kino-Labor also. Und welcher Ort würde sich dafür besser eignen, als das Labor-Theater Hebbel am Ufer am Rand von Kreuzberg? Da diese Filme alle nicht am Wettbewerb ums goldene Kalb, Entschuldigung, um den goldenen Bären teilnehmen, ist mit Glamour in Kreuzberg also nicht zu rechnen.
Bleiben noch die Taschen. Die Berlinale-Taschen. Hier bietet sich jedes Jahr aufs Neue ein lustiges Schauspiel auf Berlins Straßen. Alle paar Minuten fällt einem zur Berlinale-Zeit eine lässig an der Schulter pendelnde Festival-Tasche auf. Sie weist den Besitzer als Mitglied aus, als Teilnehmer, jemanden, der „drin“ ist. Für alle, die noch nicht wissen, was es mit den Taschen auf sich hat: die Tasche bekommen die, die über eine Akkreditierung verfügen. Sei es, weil sie beim Film sind, oder, wie in den allermeisten Fällen, bei den „Medien“. Die also bekommen eine. Und zwar dann, wenn sie sich im Pressecenter mit ihrer Akkreditierung anmelden. Mittlerweile scheint die Berlinale-Tasche zum Fetisch geworden zu sein. Manche horten ganze Jahrgänge in ihren Kleiderschränken. Fest steht auf jeden Fall, dass man auch dieses Jahr wieder viele glückliche, stolze Taschen-Besitzer sehen wird. Auch in Kreuzberg. Die neidischen Blicke derjenigen, die mit ihren ganz banalen Alltags-Taschen herumlaufen müssen und auch nur mit viel Glück in eine der schnell ausverkauften Vorstellungen gelangen, ist ihnen gewiß. Sie sind Berlinale. Wir aber sind nur Brlnl. Ach, Halt! Man kann die Taschen übrigens auch kaufen, wie hundert andere Berlinale-Merchandise-Artikel vom Schlüsselanhänger bis zum Aufnäher. Doch sich mit gekauften Federn schmücken, nein, das ist nicht das Gleiche.
(Foto oben: Filmhirek)