Die Kreuzberger Hinterhöfe sind eine Welt für sich. Jeder ein wenig anders. Die, die im Seitenflügel leben (in anderen Städten kennt man den gar nicht, geschweige denn einen ordentlichen Hinterhof), sind mit ihrem Hinterhof auf das Engste verbunden. Er ist quasi ein zusätzlicher Wohnraum, ein Zimmer im Freien.
 
Im Frühling, Sommer, Herbst, ist dieses Zimmer bewohnt – im Winter rotten hier nur vergessene Fahrräder dem Rosttod entgegen und quillen Papiercontainer über, deren Inhalt vom Regen aufgelöst wird. Wenn es aber warm wird, kommt Leben in die Bude. Da wird der Hinterhof zum Fußball-, Spiel-, Grill- und Waschplatz. Ja, auch gewaschen wird hier. Perserteppiche. In langen Prozeduren, die den ganzen Tag über andauern – einseifen, ausspülen, wischen, schrubben, wieder spülen, bis das gute Stück schließlich auf der Teppichstange landet, die an diesem Waschtag mal kein Fußballtor ist. Viele Häuser verfügen sogar über den Luxus mehrerer abgeteilter Hinterhöfe. An guten Tagen vervielfacht sich so das Hof-Spektakel – während dort der Teppich gewienert wird, findet sich hier eine angetrunkene Grillgruppe zusammen, stellen im Dritten zwei stark durcheinander gewürfelte Kinder-Mannschaften die letzte Fuball-WM nach. Dazu gesellt sich aus den weit geöffneten Fenstern ein Ehestreit und die Drum n Bass-Session eines Hobby-DJs. Besonders ruhebedürftig sollte man an diesen Tagen nicht sein – zu gewaltig und bunt ist die Geräuschkulisse, die von den umliegenden Hauswänden zurückgeworfen wird. Spätestens dann, wenn auch noch das Flaschenklirren eines Spätaufstehers dazu kommt, der sein Partyleergut  scheppernd im Flaschencontainer entleert, ist es höchste Zeit, auch in den Hinterhof zu gehen und sein Fahrrad zu reparieren. Laut fluchend. Das stört in den Kreuzberger Hinterhöfen niemand.  

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