Friedlich, traurig und ein wenig krumm sehen die bemitleidenswerten Kreuzberger Esel aus. Ihre Koppel, auf der sie im Regen, genauso wie unter gleißender Sonne stehen, ist nicht klein und doch beschränkt. Wer sich jetzt fragt - von was zum Teufel redet der Mann da? - dem sei gesagt: ja, Kreuzberger Esel gibt es wirklich. Echte. Keine mit Kapuze, Schnauzi oder zu engen Hosen.
Mark Espiner kommt aus London, schreibt für den Guardian und ist gerade zwei Wochen in Berlin um die Stadt zu "testen". Espiner will herausbekommen, ob Berlin London den Rang abgelaufen hat. Espiner sagt, er mache sich Sorgen. Sorgen, "dass von Berlin ein Sog ausgeht, der unsere besten Kulturleute anzieht". Steht es wirklich so schlimm um die britische Metropole? Oder anders herum gefragt: bekommen Berlin und Kreuzberg bald eine englische Exilgemeinde?
Nach endlosem Hin und Her hat Kreuzberg seit April 2008 eine Straße, die den 68er-Studentenführer mit dem Feuerblick ehrt. Lustig war der Prozess der Umbenennung eines Teils der Kochstraße ja schon - denn dieser Teil stösst direkt mit der Axel-Springer-Straße zusammen. Eine von vielen deutschen Gerichtspossen entspann sich also um die von der TAZ erfundene Namensgebung, in der zwei verbitterte Gruppen sich in Grund und Boden prozessierten und nebenbei noch ihre Volksbegehren bzw. Unterschriftenaktionen gegeneinander in Stellung brachten.
"Also bitte", wird nun der Eine oder Andere raunen - "Chaos!, wie abgeschmackt. Ist denen nichts besseres eingefallen?" Die ehrliche Antwort ist: Nein. Aber lassen wir uns den Begriff und seine Beziehung zu Kreuzberg doch einmal näher betrachten. Ganz unwissenschaftlich, versteht sich.
In den Siebzigern, als in Kreuzberg Häuser besetzt wurden und der ganze Bezirk ein "Schattenbezirk" war, weil er am Ende der BRD lag und am Rand der DDR, gründeten sich die ersten Bio-Läden. Bio war damals furchtbar alternativ. Nicht so wie heute, wo es alle paar Meter einen grünen Mega-Markt gibt und auch noch im heruntergekommensten Discounter Bio-Milch in den Regalen steht. Bio war ein Synonym für anders sein, für Strickzeug und die große Weltumarmung.
Ha! Da ist das Schlagwort, mit dem Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher Kreuzberg gerne verbinden, wenn die Tagesschau aus diesem Stadtteil berichtet. Autonome, das sind Chaoten, Hausbesetzer, Punker, Schnorrer und Asoziale, die am 1. Mai Bierflaschen gegen olivgrüne Wasserwerfer schleudern. In den Medien wird der Begriff wegen seiner Griffigkeit geschätzt. Was schreibt der Duden? Au|to|nom (griech.) (selbstständig, unabhängig).
Sie treffen sich regelmäßig im Traditions-Gasthaus Max und Moritz in der Oranienstraße - vor und auch nach der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der USA. "Sie" - das sind die "Democrats Abroad", Anhänger der US-Demokraten im Ausland. Nach der Berliner Rede ihres Idols haben einige von ihnen im Stillen gehofft, Obama werde seinen Weg auch nach Kreuzberg finden. Ins Max und Moritz und anstoßen mit ihnen auf seine Rede, die Berlin entflammt hat und auf die neue Zeit, die nun heraufzieht. Doch sie hofften vergebens. Obama kam nicht. Während die Democrats…
Und jetzt? - Tag eins nach der Schließung des Flughafens Tempelhof. Der letzte Spaßflug, der mit einer Handvoll Wehmütigen an Bord ein paar letzte Kurven im Himmel über Berlin gedreht hat, ist gelandet. Kein Motorenlärm weht mehr herüber nach Kreuzberg. Das rot blinkende Warnlicht des Radarturms ist abgeschaltet. Der Gigant hat sich schlafen gelegt. Wenn er eines fernen Tages wieder aufwacht, wird er sein Gesicht nicht wieder erkennen. Man wird nun mit Stift und Zirkel, später mit Preßlufthammer und Harke, die betonierte Freifläche aufreißen und schließlich eine neue Landschaft ausbreiten -…
Hans-Christian Ströbele, der Grüne, der das einzige Direktmandat für seine Partei in ganz Deutschland im Wahlkreis Friedrichshain - Kreuzberg - Prenzlauer Berg - Ost hält, will auch bei der nächsten Bundestagswahl 2009 noch einmal antreten.
Das Thema verliert nie an Aktualität. Eigentlich wird es sogar immer aktueller. Wie funktioniert das Zusammenleben von Deutschen und Menschen mit Migrationshintergund und von Mittel- und Unterschicht in Kreuzberg heute, 2008? Die Antwort lautet knapp: recht gut. Die Klischees vom Problembezirk Kreuzberg decken sich in diesem Punkt nicht mit der Alltagsrealität. Auch wenn ein wirklicher und echter "Dialog der Kulturen" selbst hier die Ausnahme ist - die Bilder pöbelnder U-Bahnschläger kommen aus München.
Wer hat nicht den märchenhaften Aufstieg des Engländers Paul Potts vom Handyverkäufer zum Opernstar mit Staunen verfolgt? Der dickliche Mann gewann recht überraschend die britische Variante von "Deutschland sucht den Superstar", in dem er alle mit seinem Gesang zum weinen brachte. Auch Kreuzberg hat seinen Paul Potts. Noch allerdings ist dem etwas ungelenken und opernsingenden Tagesspiegelverkäufer der große Durchbruch nicht gelungen. Woran liegt das?
Die Börsen krachen nach unten, die Staaten pumpen 500 Trilliarden Euro in den Geldmarkt und nichts passiert. Offenbar haben wir es mit einer Wirtschaftskrise zu tun. Da ist es nur richtig, wenn man sich frühzeitig um seine Zukunft als Arbeitsloser kümmert.